Montag, 11. April 2011

Die Schließung der Studienkollegs in NRW

Die Schließung der Studienkollegs in   Nordrhein-Westfalen (NRW) im Jahre 2009 und meine Deutung dieses Vorganges

Im Sommer 2009 ging  meine 18-jährige Dienstzeit als Deutsch- und Englischlehrer am Studienkolleg Bonn zu Ende, weil die Landesregierung NRW  beschlossen hatte, alle staatlichen Studienkollegs im Lande, darunter auch das Studienkolleg an der Bonner Universität, zu schließen. Nach einem Bericht des Landesrechnungshof erschienen solche Bildungseinrichtungen als zu teuer, weil dem Aufwand für die Ausbildung an den Studienkollegs nur ein vergleichsweise geringer Nutzen für die nordrhein-westfälischen Universitäten gegenüber stehe.
Deshalb sollten die Studienkollegs in ihrer damaligen Form nicht beibehalten werden. Laut diesem Bericht sollten nur noch solche Studieninteressenten zum Studium in Nordrhein-Westfalen zugelassen werden, die ihre Eignung bereits durch eine dem deutschen Abitur vergleichbare Hochschulzugangsberechtigung oder durch Studienzeiten im Heimatland nachgewiesen haben.  (http://www.lrh.nrw.de/pdf_zip_exe/lrhnrw_jb06.pdf)
Der Bericht mündete in eine politische Debatte, in der ein lange schwelender Streit um die Zuständigkeit für die Studienkollegs zum Ausbruch kam, und zwar eine Auseinandersetzung zwischen Schulministerium einerseits und dem Wissenschaftsministerium andererseits.

Ursprünglich waren die Studienkollegs eingerichtet worden, um ausländischen Studierenden aus solchen Ländern zu helfen, deren Sekundarschulabschluss von den deutschen Bildungsbehörden als nicht ausreichend für den direkten Hochschulzugang in Deutschland angesehen wurde.  Überwiegend waren dies außerhalb Europas und vor allem in den Ländern der Dritten Welt erworbene Schulabschlüsse.  Die Studienkollegs hatten somit eine Zubringerfunktion, die man als Teil der Entwicklungshilfe verstand.  Da die Studienkollegs den Hochschulzugang in Form einer Feststellungsprüfung mit bestimmten Schulfächern ermöglichen sollten, wurden sie mit der propädeutischen Arbeit der gymnasialen Oberstufe verglichen und organisatorisch dem Schulbereich zugeordnet.
 
Die Lehrer waren hauptsächlich aus Gymnasien versetzte Beamte, die im Zuständigkeitsbereich des Schulministeriums blieben, während als Träger der Studienkollegs die Universitäten in Erscheinung traten. 

Die Universitäten in NRW hatten schon lange die Arbeit der Studienkollegs in ihren Mauern kritisiert; zum Teil zu Recht, weil  auch den Fachaufsichten in der zuständigen Bezirksregierung organisatorische Mängel der Kollegs und  deren wirtschaftliche sowie fachliche Ineffizienz bekannt waren.  Allerdings dürfte das auch zu einem großen Teil von der Landesregierung selbst verschuldet worden sein, da sie auf der Lehrer- und Leitungsseite eine problematische Personalpolitik betrieb.  Außerdem gestaltete sie  die Zuweisung von Studienbewerbern relativ ungesteuert, sodass auch Studienbewerber mit sehr ungünstigen Eingangsvoraussetzungen aufgenommen wurden.  So kam es in diesem Nischenbereich des Schulsystems teilweise zur Misswirtschaft, zu akademischer Minderleistung und zu grotesken Blüten in der Aufblähung des personellen Apparats.

Als nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 festgestellt wurde, dass einer der Attentäter am Studienkolleg Bonn studiert hatte, und zwar vollkommen unauffällig, gerieten die Studienkollegs in NRW unter genauere Beobachtung.

Die Landesregierung erhöhte die Zahl der verdeckten Ermittler, die mit der Beobachtung von Terrorverdächtigen beauftragt waren.

Auf Seiten der Hochschulen entwickelten sich neue Ansprüche, etwa die Profilierung als Exzellenz- oder Elite-Universitäten, die nunmehr nur noch so genannte high potentials, d. h. hochbegabte und leistungsstarke Studierende haben wollten.  Die Rekrutierung solcher Studierender erfolgt durch entsprechende Aktivitäten der einzelnen Hochschulen im Ausland direkt.

Da in Ländern wie China und Indien nach ihrem sprunghaften  Aufstieg zu Industrieländern nun auch akademischer Nachwuchs zu gewinnen ist, der schon fachlich genügend qualifiziert ist und außer einem reinen Sprachkurs keiner nennenswerten weiteren Auffrischungen bedarf, erscheinen teure Studienkollegs überflüssig zu sein.  Dass nun all diejenigen jungen Menschen aus den Ländern der Dritten Welt auf der Strecke bleiben, die überhaupt nur eine Chance auf den Hochschulzugang in Deutschland haben, wenn ihre Studienvorbereitung kostenlos, kompetent und intensiv erfolgt wie  in einem staatlichen Studienkolleg, ist  entwicklungspolitisch gesehen eine bedauerliche Tatsache.